Business Freitag, 03.05.2024

Stolpersteinverlegung 2024 für Familie Schloss

Von links: Dr. Pascal Metzger (wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Verein Geschichte für Alle), Cornelia Trinkl (Referentin für Schule und Sport der Stadt Nürnberg), Karl Freller (MdL und Stiftungsdirektor der Bayerischen Gedenkstätten), Niels Rossow (Kaufmännischer Vorstand 1. FC Nürnberg), Jurij Kopf (Vorstandsmitglied der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg), Hannes Orth (Bereichsleiter Community & Membership 1. FC Nürnberg) und Bernd Siegler (Club-Historiker).

In Gedenken an die jüdische Familie Schloss verlegte der 1. FC Nürnberg zusammen mit dem Verein „Geschichte für Alle“, Fans, Nachbarn, Weggefährten, Vertretern aus Politik, vom Club und vom Fanprojekt in der Rankestraße 68 fünf Stolpersteine. Die Eltern Dina und Ludwig Schloss sowie die älteste Tochter Gerda waren am 30. April 1933 von der Mitgliederliste des 1. FCN gestrichen worden, nur weil sie Juden waren.

Das Haus in der Rankestraße 68 war lange der letzte selbstgewählte Wohnsitz der fünfköpfigen jüdischen Familie, ehe sie sich vor den Nationalsozialisten in Sicherheit brachten und nach Palästina emigrierten. „Wir stehen demütig vor Ihnen, denn es macht uns betroffen, dass der 1. FC Nürnberg so sehr gehasst hat“, betont Niels Rossow, Kaufmännischer Vorstand des 1. FC Nürnberg. „Mit unserem Engagement über den Fußball hinaus“, so Rossow weiter, „wollen wir beitragen, dass so ein Unrecht nie wieder geschieht“.

Cornelia Trinkl, Referentin für Schule und Sport der Stadt Nürnberg, stellte die Bedeutung des gemeinsamen Erinnerns an solche Schicksale heraus. Es gehe darum, alle Menschen der Stadtgesellschaft mitzunehmen und niemanden auszugrenzen. Karl Freller, Abgeordneter des Bayerischen Landtages und Stiftungsdirektor der Bayerischen Gedenkstätten, zeigte sich sehr bestürzt, „dass wir jetzt wieder in einer Zeit leben, in der Juden erneut Angst um ihr Leben haben müssen“.

Nachfahren kommen zu Besuch

Club-Historiker Bernd Siegler erzählte anschließend aus der Biografie der Familie Schloss, die er ebenso wie das von 140 weiteren jüdischer Mitgliedern des 1. FC Nürnberg für sein Buch „Heulen mit den Wölfen“ recherchierte: Der jüdische Kaufmann Ludwig Schloss (geb. 1889) und seine Frau, die Grundschullehrerin Dina (1893) wohnten mit ihren Töchtern Gerda (1921), Ruth (1922) und Käthe-Annemarie (1927) in der Rankestraße 68. Ludwig Schloss besaß eine Papier- und Pappe-Großhandlung in der Fürther Straße. 1930 wurden Dina und Ludwig Schloss Mitglieder des 1. FC Nürnberg, sie spielten Tennis, 1932 wurde Tochter Gerda Mitglied bei den Schwimmern. Am 30. April 1933 strich der 1. FC Nürnberg alle drei aus der Mitgliederliste.

Auf der Flucht vor den Nationalsozialisten schickten die Eltern Ende April 1936 die älteste Tochter Gerda nach Palästina. Ludwig und Dina Schloss kamen mit den beiden anderen Töchtern eineinhalb Jahre später nach. Sie bauten eine landwirtschaftliche Kooperative auf. Die Kinder wuchsen in einem Kibbuz auf. Gerda hieß nach ihrer Heirat Chaya Arbel und wurde eine der größten modernen Komponistinnen Israels. Ruth studierte Kunst in Jerusalem und Paris. In ihren Werken thematisierte sie u.a. die Traumata des Holocausts. Käthe Malka Schloss-Schmuckler studierte in Jerusalem Musik, schloss sich der zionistischen Untergrundorganisation Hagana an, kehrte nach Deutschland zurück und schrieb 1997 ihre Autobiografie „Gast im eigenen Land“. Gerne hätte der 1. FC Nürnberg die zwei Söhne Amnon und Oren von Malka Schloss in der Rankestraße begrüßt. Aus beruflichen Gründen mussten sie jedoch absagen, werden den Besuch beim Club und den Stolpersteinen aber nachholen.

Beim Club sind alle willkommen

Warum der 1. FC Nürnberg sich über die Stolpersteinverlegung, aber besonders auch den Jenö Konrad-Cup, bildungspolitisch engagiert, erläuterte Hannes Orth (Bereichsleiter Community & Membership): „Bei uns soll jeder willkommen sein und eine gute Zeit haben, im Stadion und darüber hinaus. Deshalb tun wir das, was wir hier tun. Das Jahr 2012 war dafür die Initialzündung: Ohne die Eröffnung des Club-Museums samt Stele für unseren jüdischen Trainer Jenö Konrad und der herausragenden Choreografie für Konrad von Ultras Nürnberg 1994 würden wir hier nicht stehen.“

Immer zum 30. April, dem Tag, an dem der 1. FC Nürnberg 142 jüdische Mitglieder in vorauseilendem Gehorsam 1933 aus dem Verein ausschloss, werden nun Stolpersteine zu ihrem Gedenken in Nürnberg verlegt. Dabei unterstützt der Verein „Geschichte für Alle“, der im Austausch mit dem Ideengeber, Künstler Gunter Demnig, steht. 2023 wurde wenige Straßenzüge weiter gemeinsam der Familie Neuburger gedacht. Der jüdische Rechtsanwalt Dr. Leopold Neuburger war von 1912 bis 1914 und von 1919 bis 1921 Präsident des 1. FC Nürnberg. 2022 erhielt Club-Trainer Jenö Konrad einen Stein in der Bingstraße und vor dem Max-Morlock-Stadion. „Seit 20 Jahren werden Stolpersteine in Nürnberg verlegt. Die Verantwortung ist fortwährend“, sagte abschließend Dr. Pascal Metzger, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei „Geschichte für Alle“, ehe Hubert Rottner die fünf goldenen Gedenksteine in die Pflasterreihe vor dem Wohnhaus in der Rankestraße 68 einsetzte.

 


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