Teamcheck Freitag, 04.10.2013

Eine vertrauensbildende Maßnahme

Der HSV kommt mit neuem Trainer nach Nürnberg. Der Teamcheck zum kommenden Club-Gegner.

Foto: Picture Alliance

Bert van Marwijk hat als einziger Fußballlehrer in dieser Saison noch keine Niederlage hinnehmen müssen. Der Niederländer hat auch erst ein Pflichtspiel beim HSV auf dem Buckel. Allerdings ist  diese Bilanz dennoch eminent wichtig: Das 2:2 zum Einstand des 61-Jährigen bei der Eintracht aus Frankfurt stoppte einen besorgniserregenden Abwärtstrend des Bundesliga-Dinos – und beendete zumindest vorerst die Debatte über den Charakter der Mannschaft. Nicht nur in dieser Saison erwies sie sich nämlich als anfällig dafür, sich von Rückständen komplett aus dem Konzept bringen und mitunter gar gehen zu lassen.

Am vergangenen Samstag war davon nichts zu sehen, im Gegenteil: Zweimal geriet sie in Rückstand, zweimal behielt sie unbeeindruckt ihre Linie bei und belohnte sich letztendlich mit einem Punkt. Der erste Zähler nach der Ära Thorsten Fink, der gehen musste, weil er zwei Dinge nicht vorweisen konnte: eine zufriedenstellende Ausbeute und angeblich ein klares Konzept, was wiederum ursächlich eng zusammenhängt. Zu experimentierfreudig sei er gewesen, zu schnell und zu viel hätte er nach Niederlagen umgestellt.

Balance muss stimmen

Vorwürfe, die nach dem 2:2 in Frankfurt von der Mannschaft indirekt bestätigt wurden. „Wir haben wieder einen Trainer mit einer klaren Idee“, sagte zum Beispiel Torhüter René Adler. Keine Frage, die hat er, der neue Hoffnungsträger des HSV. „Ich liebe Offensivfußball“, sagt er das, was man von einem niederländischen Trainer erwartet, schließlich steht diese Nation wie nur wenige andere für einen spektakulären Spielstil à la „lieber ein 4:3 statt ein 1:0“. Und dies natürlich in einem 4-3-3, das auch Bert van Marwijk als sein  Lieblingssystem bezeichnet.

Wer also gegen den Club nun einen munter darauf los stürmenden HSV erwartet, hat dennoch die Rechnung ohne dessen neuen Trainer gemacht. Der ist zwar war wie gesagt in der Oranje- Fußballschule groß geworden, allerdings ist er zu gleichen Teilen auch ein nüchterner Pragmatiker. „Gerade in unserer Situation muss erst einmal die defensive Balance stimmen, in welchem System dies passiert ist zweitrangig“, sagt der 61-Jährige, der noch etwas weitaus mehr liebt als Offensivfußball: Erfolg zu haben.

Der Erfolg zählt

Bezeichnenderweise trägt übrigens der größte Triumph seiner Trainerkarriere nicht den Stempel „typisch holländisch“, obwohl er ihn mit dem  niederländischen Nationalteam errungen hat. Beim Vize-WM-Titel 2010 agierte sein Team gerade im verlorenen Finale gegen Spanien so, wie es die Holländer in früheren Zeiten den Deutschen vorwarfen: Die Oranje-Elf reagierte mehr als dass sie angriff, und dies noch dazu mitunter auf eine so rustikale Art und Weise, wie es die Deutschen auch zu Zeiten eines Schwarzenbeck oder Kohler nicht praktiziert hatten.

Doch Fußball-Ästhetik hin oder her, der Erfolg zählt. Und den will der Trainerroutinier natürlich auch mit dem HSV haben. Muss man eigentlich gar nicht erwähnen, wäre da nicht die Frage, was hoch im Norden unter Erfolg verstanden wird. Irgendetwas im oberen Tabellendrittel, die Messlatte heißt Qualifikation fürs internationale Geschäft – so sieht es das Selbstverständnis des noblen Traditionsvereins vor. Bert van Marwijk weiß bestens darum – bei seiner Präsentation vor elf Tagen hat er jedenfalls das gesagt, was auch all seinen Vorgängern bei gleichem Anlass locker über die Lippen ging: „Der HSV sollte um die Plätze eins bis sechs spielen.“ Nicht zu vergessen seine Einschränkung, die da „unter normalen Umständen“ lautete. Und das sind diese bekanntlich nicht, sonst wäre der Niederländer auch nicht geholt worden.

Ins gesicherte Mittelfeld

Als seine vordringlichste Aufgabe sieht er es an, der Mannschaft eine stimmige Struktur zu geben. Zugleich warnt er jedoch auch vor überzogenen Erwartungen. So würden noch einige Wochen ins Land ziehen, bis seine Handschrift zu erkennen sei. Tja, und dann? Wird van Marwijk sich mit dem HSV Stück für Stück an die anvisierten Gefilde annähern? Oder kann er das gar nicht? Nicht wenige Experten jedenfalls sehen zwischen den genannten Zielen und der wirklichen Klasse des Kaders eine große Kluft klaffen. Ein Problem, das Bert van Marwijk einst bei seinem ersten Engagement in Deutschland schwer zu schaffen machte und die von 2004 bis 2006 dauernde Liaison zwischen ihm und dem BVB als eine nicht glückliche in die Fußballgeschichte eingehen ließ.

So gesehen hat er es zunächst leicht: Er muss den HSV nur ins gesicherte Mittelfeld führen – nur, weil die Qualität des Kaders dies zweifelsfrei hergibt. Und dass der Niederländer der rechte Mann dafür ist, daran zweifelt keiner in der Hansestadt. Günter Netzer zum Beispiel, deutsche Fußball-Ikone und einst als Manager für die letzten großen HSV-Triumphe verantwortlich, applaudierte der zuletzt so hart kritisierten Führungsriege der Hamburger für ihre Trainerwahl: „Das nenne ich jetzt mal eine vertrauensbildende Maßnahme.“

Spieldaten

8. Spieltag, Bundesliga 2013/2014
0 : 5
1. FC Nürnberg
Hamburger SV
17. 18466 0:1
60. Pierre-Michel Lasogga 0:2
63. Pierre-Michel Lasogga 0:3
67. Pierre-Michel Lasogga 0:4
74. Tolgay Arslan 0:5
Stadion
Grundig Stadion
Datum
06.10.2013 14:30 Uhr
Schiedsrichter
Markus Schmidt
Zuschauer
38072

Aufstellung

1. FC Nürnberg
?? - Chandler, Nilsson, Pogatetz, Plattenhardt - Hasebe, Frantz (66. Feulner), Kiyotake (73. Stark), Hloušek - Pekhart, Drmic
Reservebank
Rakovsky, Angha, ??, Pinola, Esswein, Feulner, Stark
Trainer
Michael Wiesinger
Hamburger SV
18466 - 18466, Tah, Djourou, 18466 - Arslan (81. Jiracek), Badelj, Zoua (61. Beister), 18466, Calhanoglu - Lasogga (84. Rudnevs)
Reservebank
Neuhaus, Mancienne, Sobiech, Jiracek, Beister, Rudnevs
Trainer
Bert van Marwijk

Ereignisse

17. min Spielstand: 0:1
18466

60. min Spielstand: 0:2
Pierre-Michel Lasogga

61. min Spielstand: 0:2
Maximilian Beister kommt für Jaques Zoua

63. min Spielstand: 0:3
Pierre-Michel Lasogga

66. min Spielstand: 0:3
Markus Feulner kommt für Mike Frantz

67. min Spielstand: 0:4
Pierre-Michel Lasogga

73. min Spielstand: 0:4
Niklas Stark kommt für Hiroshi Kiyotake

74. min Spielstand: 0:5
Tolgay Arslan

77. min Spielstand: 0:5
Emanuel Pogatetz

81. min Spielstand: 0:5
Jiracek kommt für Tolgay Arslan

84. min Spielstand: 0:5
Artjoms Rudnevs kommt für Pierre-Michel Lasogga

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