Business Montag, 23.10.2023

Melanchthon-Gymnasium als Gewinner des Jenö-Konrad-Cups geehrt

Foto: Daniel Marr

Ludwig Berlin lebt eigentlich in London. Seinen 96. Geburtstag hat er jedoch in Nürnberg gefeiert. Genauer gesagt: im Melanchthon-Gymnasium. Dort war Ludwig Berlin Schüler. Zumindest bis 1937, denn in diesem Jahr wurde er der Schule verwiesen. Einziger Grund: seine jüdische Abstammung. „Als wir gemeinsam mit Ludwig Berlin Geburtstag feiern durften, war immer wieder der 1. FC Nürnberg Thema“, sagt die Geschichtslehrerin Martina Switalski. „Die 1930er Mannschaft des Club hat er mühelos aufsagen können.“ Und: Die Liebe zu seinem Verein habe er sich über die Jahrzehnte immer bewahrt.

Ludwig Berlin war nur einer von vielen ehemaligen Melanchthonianern mit jüdischer Abstammung, mit denen sich aktuelle Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums gemeinsam mit ihrer Lehrerin im laufenden Jahr beschäftigt haben – im Rahmen ihrer Projektarbeit für den Jenö-Konrad-Cup des 1. FC Nürnberg. Die akribische Arbeit hat sich gelohnt: Das Melanchthon belegte Platz 1 – und erhielt gestern in der Halbzeitpause der Partie gegen Hertha BSC von Club-Vorstand Niels Rossow die Siegerurkunde überreicht.

Ziel des jährlich ausgetragenen Jenö-Konrad-Cup ist es, dass sich Schulklassen aus der Region intensiv mit den Themen Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit auseinandersetzen. Ausgangspunkt dafür ist die Biografie des ehemaligen jüdischen FCN-Trainers Jenö Konrad, der aufgrund antisemitischer Hetze in dem NS-Propagandablatt „Der Stürmer“ im August 1932 aus Nürnberg fliehen und seine Mannschaft zurücklassen musste. In die Bewertung der teilnehmenden Schulen fließt neben der Projektarbeit auch das sportliche Abschneiden bei einem gemeinsamen Fußballturnier ein.

„In Zeiten, in denen wieder Davidsterne an Häuserwände geschmiert werden und jüdische Mitbürger wieder Angst haben müssen, auf die Straße zu gehen, ist der leidenschaftliche Einsatz gegen Antisemitismus von größter Bedeutung“, sagt Katharina Fritsch, die beim 1. FC Nürnberg die Abteilung Community & Membership leitet und den Jenö-Konrad-Cup vor Jahren mit aus der Taufe gehoben hat. „Die Qualität der eingereichten Projektarbeiten ist im Vergleich zu den Anfängen des Wettbewerbs stark gestiegen“, zeigt sich Dr. Anatoli Djanatliev beeindruckt. Der Vorstand von Maccabi Nürnberg gehört wie Katharina Fritsch der achtköpfigen Jury des Jenö-Konrad-Cup an.

Die aktuellen Bilder aus Israel, aber auch aus Deutschland machen die Melanchton-Schülerinnen und -Schüler fassungslos: „Viele Menschen haben einfach nichts aus der Geschichte gelernt“, sagt die 15-jährige Hannah. Ihre Freundin Frieda ist derselben Meinung – und betont, dass die Klasse bei der Auseinandersetzung mit den aktuellen antisemitischen Anfeindungen natürlich ungemein von dem Wissen profitiert, das sie sich durch die Projektarbeit angeeignet hat.

Wie sehr der 1. FC Nürnberg im Melanchthon-Gymnasium verwurzelt ist, zeigt sich nicht nur an der jahrzehntelangen Treue des Ludwig Berlin. Auch Dr. Hermann Lind, der Direktor der humanistischen Schule, macht aus seiner Zuneigung zu Nürnbergs Herzensverein keinen Hehl – erscheint doch auf seinem Computer als Bildschirmschoner der folgende Satz: „Ich bereue diese Liebe nicht“. Auf Griechisch.    

Viele weitere Informationen zum Jenö-Konrad-Cup sind auf der interaktiven Lern- und Rechercheplattform www.clubgeschichte.de zusammengestellt.    

von links: Hannah, Frieda, Lehrerin Martina Switalski; Foto: Moritz Wohlrab

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